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Kein anderes Tiroler Familienunternehmen hat die Entwicklung Tirols in den letzten 90 Jahren so akribisch und kunstvoll festgehalten wie die Fotografen-Dynastie Defner. Der eben im Tyrolia-Verlag erschienene Bildband ‚zeitblende’ dokumentiert diese eindrucksvolle fotografische Arbeit über drei Generationen hinweg. Was ihn so attraktiv und spannend macht, ist die ‚Dramaturgie‘ des Buches. Denn Thomas Defner hat sich auf den Weg gemacht, die Einstellungen seines Vaters und Großvaters zu finden und ihren damaligen Aufnahmen die aktuelle Sicht der Dinge gegenüber zu stellen.

Der Marmorbrunnen in der Innsbrucker Altstadt

Brunnen mit spielenden Kindern in der Altstadt von Adalbert Defner. Thomas Defner erhielt 2007 einen Brief einer älteren Dame aus Winnipeg in Kanada, in dem sie sich erinnerte, dass Adalbert Defner sie als kleines Mädchen abgelichtet hatte, als sie am barocken Brunnen in der Herzog-Friedrich-Straße in Innsbrucks Altstadt ihre Hand ins Wasser tauchte. Bild: Defner Photo Verlag

Der Marmorbrunnen, fotografiert von Thomas Defner

Eine ähnliche Situation erlebte dann auch Thomas Defner, als er denselben Brunnen Jahrzehnte später ablichtete. Ein kleiner Bub kam vorbei und stellte sich an den Brunnen. Bild: Thomas Defner.

Noch immer üben die klassischen Defner-Fotos auf mich einen seltsamen Zauber aus. Schon als Kind kannte ich die Defner-Postkarten mit ihren Tiroler Motiven, obwohl ich in Vorarlberg aufgewachsen bin. Vor allem die einsamen, in den Hang geduckten Bauernhöfe mit ihren steinbeschwerten Legschindel-Dächern hatten es mir damals schon angetan. Tief verschneite Hütten auf den Fotos von Defner erinnerten mich an die Bilder des von mir über alles geschätzten Alfons Walde. Vor allem Defners monumentale Landschaften vor gleißenden Fernern oder die steilen Saumpfade im Hochgebirge weckten meine Sehnsucht nach Tirol und genau diesen Bergen. Und da war noch etwas, was mich schon als Kind sehr ansprach: das Defner-Logo.

Das Defner-Logo

Jede Defner-Postkarte hatte einen weißen Rahmen, der meist an der rechten Seite breiter war. Dort war in Handschrift oben rechts das Fotoobjekt kurz beschrieben und abgedruckt. Und in der rechten Mitte der Postkarte fand sich das berühmte Defner-Logo, ein kalligrafisch wunderschön ausgeführtes „AD“. Unten rechts war dann die Signatur angebracht. Das alles war für mich vor etwa 60 Jahren genau jene Welt, die ich eines Tages selbst erforschen wollte. Ich habe es tatsächlich geschafft und mir den Lebenstraum erfüllt, in Tirol zu leben.

Blick von der Terrasse der alten Patscherkofelbahn

Die Aussichtsterrasse am Patscherkofel, fotografiert von Adalbert Defner. Man beachte die damaligen Dimensionen der Stadt Innsbruck. Bild: Adalbert Defner.

Der heutige Blick vom Patscherkofel auf Innsbruck

Die heutige Sicht vom selben Punkt der Terrasse aus auf Innsbruck in einem Bild von Thomas Defner. Höchst interessant ist es, wie geradezu explosionsartig Innsbruck gewachsen ist. Bild: Thomas Defner

Defner-Bilder lösen in mir auch heute noch eine ganze Reihe unterschiedlicher, aber immer wohliger Gefühle aus. Die Landschaftsbilder des Adalbert Defner würde ich sogar als Kunst bezeichnen. Wie es der Begründer der Tiroler Fotografen-Dynastie geschafft hat, mit den damals verfügbaren Kameras Lichteffekte in Landschaftsaufnahmen aufzunehmen und zum Leuchten zu bringen ist große Kunst. Der 1884 geborene Sohn eines Gastwirtes aus Millstatt studierte Naturwissenschaften und wanderte 1919 nach Deutschland aus. Dort lernte er bei seinen Schwiegereltern im Harz das Fotografenhandwerk. Aber es zog ihn wieder zurück in die österreichischen Berge. Zuerst nach Innsbruck und ab 1929 nach Igls, wo er die „Lichtbildwerkstätte Dr. Adalbert Defner“, den heutigen „Defner Photo Verlag“ gründete.

Postkarten und Defner-Kalender

Seine im In- und Ausland vertriebenen Postkarten machten ihn berühmt. Ebenso wie der legendäre „Defner-Kalender“, der reißenden Absatz fand und erst 2013 eingestellt worden ist. Adalbert Defner sah sich denn auch selbst als Künstler und entwickelte sich in der Schwarz-Weiß-Fotografie zu einem wahrhaften Meister seines Faches. Das Bild des Jagdschlosses in Kühtai aus den 1930er Jahren ist ein fantastisches Beispiel dafür.

Jagdschloss Kühtai und Neunerkogel auf einem Bild von Adalbert Defner

Das Jagdschloss Kühtai und der wolkenumkränzte Neunerkogel. Ein grandioses Meisterwerk des Dr. Adalberg Defner aus den 1930er Jahren. Bild: Defner Photo Verlag

Kühtai mit Jagdschloss und Neunerkogel heute

Der Enkel Adlabert Defners, Thomas Defner, suchte und fand jenen Punkt in Kühtai, von dem aus sein Großvater das Bild des Jagdschlosses gemacht hatte. Dieses neuzeitliche Bild zeigt auch die tiefgreifenden Veränderungen, die Kühtai in der Zwischenzeit erlebte. Bild: Thomas Defner

Untrennbar mit dem Familiennamen Defner ist auch die Entwicklung Tirols zu einer weltweit beliebten und bekannten Tourismusdestination verbunden. Denn es waren Karl und seine Schwester Gundi Defner, die den damals schon sehr renommierten Postkartenverlag ihres Vaters Adalbert im Jahre 1960 übernahmen und fortführten. Und es waren vor allem die Defner-Postkarten, die Tirol in aller Welt bekannt gemacht hatten. 

Die Transformation Tirols in Fotografien festgehalten

Und in ihrer zeitlichen Abfolge dokumentieren die Defner-Bilder auch die Transformation Tirols von einem Agrarland mit wogenden Getreidefeldern und manuell arbeitenden Bauern in ein Tourismusland. Aus dem Tirol der Bergbauern und der nahezu unberührten Täler mit ihren einsamen Almhütten ist ein riesiges Tourismuskonglomerat geworden, dessen Antlitz sich in den vergangenen 80 Jahren nachhaltig verändert hat. Und genau das ist der Ansatzpunkt für Thomas Defner, also der 3. Generation der Fotografenfamilie. Auch er ist gelernter Fotograf und leitet seit 1992 das Unternehmen.

Der Südtiroler Platz samt dem alten Bahnhofsgebäude

Der Südtiroler Platz in einer Aufnahme von Karl Defner. Bild: Defner Photo Verlag

Der Südtirolerplatz nach der Neugestaltung

Dasselbe Sujet von Thomas Defner fotografiert mit dem neuen Bahnhofsgebäude. Bild: Thomas Defner

Thomas Defner stellt im Band Fotografien aus vergangener Zeit neuen Aufnahmen aus gleichem oder ähnlichen Blickwinkel gegenüber. Es ist eindrucksvoll wie sehr – bisweilen auch wenig – sich das Land Tirol verändert hat. Der Bildband ist eine überaus spannende, sehr gelungene Zeitreise durch Tirol.

Textlich begleitet wird der Bildband von Susanne Gurschler, die ich als Kulturjournalistin und Autorin sehr schätze. Es ist ihr sehr gut gelungen, auf die politischen, kulturellen, landschaftlichen und sozialen Entwicklungen Tirols einzugehen. Besonders spannend und interessant sind ihre Recherchen zu den einzelnen Bildern, die in der jeweiligen Bildunterschrift zusammen gefasst werden. Leserfreundlich ist auch die Einteilung des Bildbandes in insgesamt acht Kapitel, darunger „Stadtentwicklung, Am Berg, Bauernland“ usw. Der Leser hat dadurch immer die Übersicht und kann sich quasi kapitelweise auf eine Zeitreise durch Tirol begeben. Ein Buch, das in keiner Tiroler Bibliothek fehlen sollte.

Zeitblende. Defner-Fotografien Tirol – 1925 bis heute

208 Seiten, 103 farb.Abb. Und 111 sw. Abb. 24 x 29 cm, gebunden mit Schutzumschlag. Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien 2017. ISBN 978-3-7022-3619-9. € 34,95

Die Autorin: Susanne Gurschler, freie Journalistin und Autorin mit den Schwerpunkten Kunst und Kultur, Architektur, Regionalgeschichte und Tourismus. Sie lebt in Innsbruck.

Der Fotograf: Thomas Defner, geb. 1960 in Innsbruck, lebt und arbeitet in Igls/Tirol, Fotografenausbildung in der Werkstätte für Lichtbildkunst von Großvater Dr. Adalbert Defner (1884-1969) und Vater Karl Defner (1926 – 2013) sowie in der Berufsschule für Fotografen in Hall in Tirol; seit 1992 Inhaber des Defner-Photo-Verlages in 3. Generation.

Interessante Links:

Website des Defner – Photo – Verlages: https://defner.com/

Bestellungen bitte NICHT bei Amazon, sondern hier: https://www.tyroliaverlag.at/list/9783702236199

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