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Zwei hoch über Zirl aufragende ruinöse Türme sind der klägliche Rest einer einst bedeutenden Burg- und Schlossanlage. Hier stiegen Kaiser und Könige, bisweilen auch berühmte Minnesänger ab. Fragenstein war besonders zu Zeiten Kaiser Maximilians I. fraglos eine der beliebtesten und nobelsten Burgen Tirols.

Hätte man damals das gemeine Volk befragt, was ihnen der Name ‚Fragenstein‘ sagt, die Menschen hätten mit angstvoll aufgerissenen Augen geantwortet. Denn mit der Gründung Fragensteins um 1200 war die Burg auch gleichzeitig Gerichtssitz. Das Wort ‚Frag‘ stand damals für ‚Verhör‘. Und da es im Mittelalter wenig zimperlich zuging, war schon ein einfaches Verhör meist eine ‚peinliche Befragung‘, also der Code für brutale Folter. Der heutige Name der Burg wäre also quasi ‚Folterstein‘.

Als Meinhard II. die Anlage um 1284 kaufte und ‚seinem Tirol‘ einverleibte, traf er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Burg lag am vielbefahrenen mittelalterlichen Handelsweg von Innsbruck über Seefeld nach Süddeutschland, was sprudelnde Mauteinnahmen versprach. Zudem lagen die damaligen Hirsch- und Gamsjagden quasi vor dem Burgtor. Die adelige Hochjagd konnte mithin jederzeit fröhliche Urständ feiern. Aufgrund ihrer weithin sichtbaren Lage war die Burg überdies als Kreidfeuerstation prädestiniert. Solche Höhenfeuer waren in Krisenzeiten eine Kommunikationsform über große Distanzen hinweg. Man wusste auf Fragenstein also früh genug von bedrohlichen Ereignissen.

Ein mittelalterlicher ‚Popstar‘ schlug in Zirl die Leier

Den Ruf als eine der nobelsten Tiroler Burgen erwarb sich Fragenstein durch die Anwesenheit des damals wohl berühmtesten aller Minnesänger: Oswald von Wolkenstein. Verwandtschaftliche Verbindungen lockten den mittelalterlichen Gesangsstar gleich zweimal nach Zirl: In den Jahren 1419 und 1426 beehrte er seinen Schwager Parzival II. von Weineck mit seinem Besuch, bei dem er mit Sicherheit die Leier schlug. 1426 war aber jenes Jahr, an dem Schluss mit lustig auf Fragenstein war. Da begann ein Prozess, der 1429 damit endete, dass Friedrich IV. ‚mit der leeren Tasche‘ den widerständischen Parzifal zum Verkauf der Burg zwingen durfte. In Hinkunft war somit der jeweilige tirolische Landesfürst der Besitzer der Burg. Er wiederum konnte Pfleger zur Verwaltung berufen.

Maximilian vereitelte den Verkauf der Burg an die Bayern

Ihre glanzvollste Zeit erlebte die schlossartige Anlage in den Jahren, nachdem sie Siegmund dem Münzreichen 1446 als Tiroler Landesfürsten quasi zugeteilt worden war. Der stets in Geldnöten befindliche Frauenheld – er zeugte angeblich Dutzende uneheliche Kinder – begann die Burg als Ausgangspunkt glanzvoller Jagden zu nutzen. (Siegmunds Hang zum Ausgefallenen habe ich hier geschildert.) Seine permanenten Geldschwierigkeiten wollte er dann aber blöderweise mit der Verpfändung einiger seiner Besitzungen an die bayerischen Herzöge beheben. Allein, sein Vetter Kaiser Friedrich III., vor allem aber dessen Sohn Maximilian vereitelten das Vorhaben, sprachen ihm eine Rente zu und übernahmen kurzerhand Siegmunds Besitzungen. Natürlich gegen die Zusicherung, dass dieser weiterhin auf seinen einstigen Territorien jagen und fischen durfte, was ihm sehr wichtig war. Von nun an sollte Fragenstein eine Blütezeit erleben. Eine virtuelle ‚Rekonstruktion‘ gibt einen Eindruck von der Anlage.

Kanzler Zyprian von Sernthein übernimmt die Burg

Am 16. März 1490 begann der kometenhafte Aufstieg eines Mannes, der Fragenstein in den Folgejahren sogar zu einer Art ‚Verwaltungszentrum‘ des Habsburgerreiches machen sollte. An diesem Tag wurde Maximilian hochoffiziell zum Herrscher Tirols. Er machte einen gewissen Zyprian von Sernthein als ‚Kanzler‘ zu seinem engsten Vertrauten. Der aus einer Südtiroler Adelsfamilie stammende Mann wurde für Maximilian in den folgenden Jahren zu einem unentbehrlichen Helfer und Berater. Am 8. Jänner 1498 beförderte Maximilian Zyprian von Sernthein zum Pfleger der Burg. Das war gleichbedeutend mit der Verfügungsgewalt über das Gemäuer. Er leitete Umbau und Erweiterung der Burg, die für Maximilian zu einem seiner Lieblingsstützpunkte für prunkvolle Jagdausflüge geworden war. Bemerkenswert: Sernthein bezahlte einige der Erweiterungs- und Verbesserungsarbeiten aus eigener Tasche, weil Handwerker dem Kaiser keinen Kredit mehr gaben, geruhte doch der Imperator, Rechnungen schon aus Prinzip heraus meist nicht zu begleichen. Und so musste der Kanzler seinem Kaiser quasi einen Vorschuss gewähren, dass überhaupt was weiterging bei den Sanierungsarbeiten.

Fragenstein wurde jetzt zu Maximilians beliebtestem Jagdsitz. Das ‚Gericht Hörtenberg‘, zu dem das Schloss Fragenstein gehörte, wies damals vier Hirsch- und 16 Gamsjagdgebiete auf. Interessant in diesem Zusammenhang: Maximilian betrachtete die Jagd als eine Art ‚Training‘, um fit zu bleiben. Zudem konnte er Potentaten, Diplomaten und dem Hochadel mit den kühnen Unternehmungen seinen persönlichen Mut beweisen. Denn viele Jagden fanden als ‚Schaujagden‘ statt, bei dem allerlei nicht-jagendes Publikum die wilden Volten der mutigen Jäger im nackten Fels bestaunen durfte.

Ich möchte kurz auf zwei Ereignisse eingehen, die Maximilians Absichten unter Beweis stellen, die er mit der Jagd verband. Eines davon fand am 24. Juli 1497 auf der Herzogswiese in Stams statt. Zu Ehren des türkischen Sultans, genauer seines persönlichen Gesandten – er hatte einem Waffenstillstand mit Maximilian zugestimmt –, wurden Hirsche in der Gegend von Stams ausgesetzt. Der Gesandte erlegte einen Hirsch auf türkische Art mit einem Wurfspieß. Man dinierte nach der Jagd in Zelten und hielt eine Audienz ab. Der ebenfalls eingeladene Gesandte des Herzogs von Mailand stellte jedoch naserümpfend fest, dass der türkische Vertreter sehr unkultiviert sei. Und da er angeblich mit Schuhen ins Bett gehe, hätte er in Innsbruck auch keine entsprechende Unterkunft gefunden. Auf Fragenstein wollte man den Herrn offenbar schon gar nicht beherbergen.

Dass Fragenstein auch Ausgangspunkt des wohl berühmtesten Jagdabenteuers Maximilians war, ist logisch: seine sagen- und legendenumwobene Gamsjagd in der Martinswand. Sie wurde in Maximilians Biografie im Nachhinein quasi in ein ‚Gottesurteil‘ umfunktioniert. Ich habe den Jagdausflug und Maximilians Hang zur Selbstdarstellung bereits hier beschrieben

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang eine Forderung Maximilians, wonach Gämsen nicht mit Pfeil und Bogen oder einer Armbrust bejagt werden durften. Die Tiere mussten mit Speeren ‚aus der Wand gestochen werden‘. Stellt man sich vor, dass die heutigen, meist beleibten Jagdherren in Felswänden herumkraxeln müssten, so wäre die Opferzahl der Jäger wesentlich höher als jene der Gämsen.

Wir sollten uns trotz aller Beliebtheit nicht vorstellen, dass Fragenstein zur Zeit Maximilians etwa ein luxuriöses Schloss gewesen ist. Der Kaiser investierte machweislich lieber in Kriege und lebte in seinen Burgen und Schlössern – gezwungenermaßen – relativ spartanisch. Maximilians Burgen und Schlösser waren denn auch meist weniger aufwändig eingerichtet als beispielsweise die Schlösser kleiner italienischer Fürsten. Fragenstein bot eigentlich keinen Luxus. Auch Maximilians Hof war es gewohnt, spartanisch untergebracht zu werden. Die hunderten Begleiter waren mit ihm ja ständig in Bewegung und mussten bisweilen in bescheidenen Jagdhäusern logieren. Aus Platzmangel konnte es da schon vorkommen, dass die Entourage mit umliegenden Privat- und Bauernhäusern oder gar Zeltlagern Vorlieb nehmen musste.

Maximilian war permanent ‚pleite‘

Die größte Herausforderung Zyprian von Serntheins war sicherlich, Maximilian aus seinen permanenten Geldnöten zu helfen. Wenn Maximilan keinen Kredit mehr erhielt, weil er diese aus Prinzip nicht zurückzahlte, musste Sernthein einen Weg finden. Lange war er es, der Maximilian persönliche Kredite gewährte. Das ging so lange gut, bis seine persönliche Kreditwürdigkeit ebenfalls ‚am Hund‘ und er nicht mehr ‚kreditwürdig‘ war. Auch Zyprian erhielt von Maximilian keine monetären Rückzahlungen, war die Kassa des Kaisers aufgrund seiner pompösen Auftritte und seiner Kriege doch immer leer. Zyprian erhielt dafür Lehen, wie die Burg Runkelstein bei Bozen, die ihm zur Pflege zugewiesen wurde. Er war aber auch im Silber-, Ochsen- und Tuchhandel und anderen Geschäften tätig, was ihn zu den größten Darlehensgebern und -bürgen des Kaisers machte.

Und wenn alle Stricke rissen, lauerten im Hintergrund noch immer die ‚Nothelfer‘ in Form der steinreichen Dynastie der Fugger. Gegen allerhand Überschreibungen von Bergwerken oder anderen lukrativen Geschäften griffen sie Maximilian meist im letzten Moment unter die Arme.

Weniger bekannt ist, dass Fragenstein zur Zeit Maximilians quasi das Verwaltungszentrum des damaligen Habsburgerreiches war. Zyprian von Sernthein residierte hier, vor allem aber ließ er die Akten auf Fragenstein lagern und nicht im Archiv in Innsbruck. Maximilian schätzte Sernthein sehr. Das geht vor allem daraus hervor, dass er in verschiedene, bisweilen komplizierte diplomatische Aktivitäten eingebunden war und die Interessen Maximilians perfekt vertrat. Legendär ist die Rolle Serntheins beim ‚Basler Frieden‘, als es darum ging, die Schweizer Kriege zu beenden.

Die Erhaltung des Schlosses wurde nach Maximilian zu einem echten Problem. Permanente Reparaturen erforderten große Geldmittel. Teile der Burg wurden so vernachlässigt, dass sie kaum mehr bewohnbar waren.

Zirler Schützen sprengten die Burg

Der endgültige Niedergang von Fragenstein begann am 23. Juli 1703 mit dem ‚Bayerischen Rummel‘. Die Bayern hatten mit den Habsburgern ein Hühnchen zu rupfen und marschierten in Tirol ein. Die Zirler Schützen, Teil der tirolischen Truppen, zogen sich auf Fragenstein zurück, konnten aber der drückenden Übermacht nicht mehr standhalten. Sie sprengten schließlich die Burg, die von da an dem Verfall preisgegeben war.

Das verfallende Gemäuer wurde wie damals üblich auch in Zirl als Steinbruch benützt. Erste Sicherungsarbeiten begannen durch den Österreichischen Burgenverein 1933. Zwischen 1974 und 1978 konnte der totale Verfall gestoppt und die Ruine saniert werden.

Meine Tipps zum Thema

Ein Besuch der Ruine ist vom Ortszentrum Zirl aus nach einem rund halbstündigen Spaziergang möglich. Für Leser, die sich näher mit der Burg und ihrer Geschichte auseinandersetzen wollen, gibt es zwei Hinweise:

  • Eine hochinteressante Darstellung der Burg zu Zeiten Maximilians bietet eine Diplomarbeit von Nikolaus Adam Grotenburg:Kaiser Maximilian I., Zyprian von Serntein und Schloss Fragenstein bei Zirl“.
  • Baugeschichtliche Details enthält das „Tiroler Burgenbuch, Band 6 – Mittleres Inntal“ (Athesia).

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