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Viele Aspekte beeinflussen Stadt- und Ortsbilder: Dazu zählen etwa Architektur, Geschichte, Infrastruktur, Natur, Gestaltungen sowie die Menschen, die in diesen Orten leben. Einen zwar unterschätzten, aber wesentlichen Beitrag leisten seit Jahrtausenden zudem Typografie und Design. Die Schriften einer Stadt spiegeln auch ihren Charakter wider. All diese schriftlichen Details lassen sich auf den Typowalks in der Region Innsbruck entdecken.

Augen auf!

Es lohnt sich wirklich, mal bewusst auf Schriftzüge an Häusern zu achten, und man wird staunen, welche unbemerkten Feinheiten sich selbst in bekannten Umgebungen entdecken lassen.

Auf den Typowalks des WEI SRAUM. Designforum Tirol erleben Interessierte seit 2016 spannende Rundgänge – professionell begleitet und mit unerschöpflichem, fundiertem Fachwissen untermauert. Die Idee und Umsetzung dazu stammen von WEI SRAUM-Obmann, HTL-Lehrer, Grafikdesigner und Typografie-Enthusiast Markus Weithas, der in den letzten acht Jahren fast 30 Typowalks zu wechselnden Schwerpunkten in Innsbruck und Umgebung veranstaltet hat.

Typografischer Spaziergang

Vor einigen Jahren nahm ich an einem der kostenlosen Typowalks in Innsbruck teil. Für mich als Grafikerin und Stadtführerin war dieser geführte Spaziergang natürlich doppelt interessant. Außerdem war ich neugierig, meinen ehemaligen Lehrer Markus einmal in einer anderen Rolle zu sehen, nämlich als Guide. Und obwohl ich als Stadtführerin wirklich schon viele Details in Innsbruck kenne, musste ich zugeben, selten auf die typografische Gestaltung von beispielsweise Hotelschriftzügen zu achten.

Der Typowalk war also in vielerlei Hinsicht augenöffnend und spannend, nicht zuletzt weil Markus Weithas neben einem Schnelldurchlauf der Schriftengeschichte zahlreiche interessante Informationen vermittelte. So konnte man unter anderem erfahren, wann und in welchem historischen Kontext eine Schrift entstanden ist und wer sie entworfen hat.

Einmal Lehrer, immer Lehrer

Die Schriftentwicklung fand ich bereits in meiner Schulzeit an der HTL für Grafik und Kommunikationsdesign sehr faszinierend, und mit Typografie habe ich mich immer gern beschäftigt. Zugegeben: Vom Gelernten habe ich seitdem leider sehr viel wieder vergessen. Dass trotzdem einiges hängengeblieben ist, verdanke ich Lehrpersonen wie Markus Weithas.

Von 1997 bis 2024 unterrichtete Markus an der HTL in Innsbruck, seit einigen Semestern und weiterhin außerdem an der Freien Universität Bozen. Als ich ihn damals beim Typowalk und nun zum Gespräch dazu wiedersehe, erlebe ich viele Déjà-vus. Es sind zwar über 15 Jahre seit meinem Abschluss vergangen, aber seine detaillierten Ausführungen, die Namen, Fachbegriffe und Querverweise versetzen mich sofort ins Klassenzimmer zurück. Sein Wissen und seine Begeisterung für Typografie und Design sind unverändert groß – und ansteckend.

Wer suchet, der findet

„Innsbruck hat keine herausragende Schriftkultur, wenn man ehrlich ist“, sagt der Experte. Doch: „Ich habe schon den Eindruck, dass gute Typografie und Gestaltung wieder an Bedeutung gewinnen. Das sieht man eigentlich überall, zum Beispiel auch bei Start-ups“, so Markus weiter. Man merkt es außerdem vielleicht an der Innsbruck-Marke selbst, die sich seit 2010 stark entwickelt hat und inzwischen vom Patscherkofel bis zum Flughafen reicht. Und das trotz des anfänglich großen Skandals um den Apostroph im Innsbruck-Logo.

Geballtes, kritisches Designwissen

In der Region Innsbruck weiß wohl kaum jemand mehr über gestalterische Themen als Markus, wobei er selbst behauptet, dass seine Frau, ihres Zeichens ausgebildete Typografin, noch viel mehr wisse als er selbst. Wie auch immer: Seine Recherche zu den verschiedenen Schwerpunkten und Orten sowie das Hintergrundwissen dazu sind schlichtweg top und ziemlich beeindruckend. Obendrauf gibt es noch eine Reihe von Literaturempfehlungen. Während unseres Gesprächs schaffe ich es kaum, mir alle Buchtipps zu notieren.

Geschriebene Akzente auf Typowalks entdecken

Für die Typowalks hat Markus mehrere Rundgänge zu vielfältigen Schwerpunkten ausgearbeitet. Die Themen in Innsbruck waren unter anderem: Auf Arthur Zelgers Spuren, Schrift und Macht, Serifenlos durch Innsbruck, Best of Innenstadt, Corporate Typography oder Schrift und Nacht (Neon) sowie die Typowalks in den Stadtteilen Wilten, Pradl und Saggen. Außerdem gab es typografische Ausflüge bereits nach Hall in Tirol, Seefeld, Wattens und Igls.

Spuren, die bleiben – Schriften mit Bestand

Besonders interessant sind Markus’ Erklärungen zu den unterschiedlichen Entwicklungen der Schriftkultur in den verschiedenen Orten. In Innsbruck war beispielsweise der Einfluss von Arthur Zelger, dem Schöpfer des bekannten Tirol-Logos und dem Grafikdesigner der Olympischen Winterspiele 1964 und 1976, sehr groß. Seine Spuren sind bis heute sichtbar und werden wohl noch einige Zeit überdauern. Obwohl ich viele Arbeiten von Zelger kenne und sogar ein Plakatsujet von ihm zuhause an der Wand hängen habe, bin ich überrascht, dass Markus mir in der Innenstadt noch weitere Schriftzüge von ihm zeigen kann.

In Anerkennung und Gedenken an diesen wirkungsreichen Grafikdesigner wird seit 2020 der vom WEI SRAUM Designforum initiierte und von der Tirol Werbung ausgelobte Arthur-Zelger-Preis für gute Gestaltung verliehen.

Vom Tourismus geprägt

In Igls und Seefeld spielte und spielt der Tourismus eine große Rolle – auch in der Typografie. Schriftzüge von Hotels, Bergbahnen und vielem mehr bieten hier spannende Aspekte. In Igls entdeckte Markus unter anderem viele Arbeiten des Künstlers Helmut Millonig, der auch in hohem Alter heute noch in seiner Werkstatt in Hötting arbeitet.

Über die Grenzen hinaus

Im Herbst 2024 steht eine interessante, zweitägige Exkursion auf dem WEI SRAUM-Programm: Es geht nach Bozen, und Markus verspricht viel Spannendes: Bedingt durch den „Clash of Cultures“ gilt es dort italienische und deutsche Einflüsse, aber auch Jugendstil zu entdecken. Details zum genaueren Programm inklusive Creative Lunch sind auf der WEI SRAUM-Webseite zu finden.

Digitale Typowalks per App

Unabhängig von den geführten Typowalks kann man mit der kostenlosen App fünf der Themenrundgänge auf eigene Faust erkunden. Die Routen führen zu 27 Stationen in Innsbruck mit typografischen Kostbarkeiten, und die App liefert geschichtliche, politische, wirtschaftliche und kulturelle Hintergründe dazu.

Ich persönlich werde Führungen mit einem Guide immer vorziehen, doch die Idee zu dieser App finde ich großartig. Zeitlich unabhängig und mit einem Smartphone in der Hand, wird damit ein lehrreiches, kurzweiliges und einzigartiges Innsbruck-Erlebnis geboten. Ein cooles Angebot, das ich selbst möglichst bald ausprobieren möchte.

Und weiter geht’s

Die kostenlosen Typowalks sind seit Jahren ein wichtiger Fixpunkt im Programm des WEI SRAUM. Designforums Tirol. Seit 2005 veranstaltet der Verein hochkarätige Vorträge, Workshops und Ausstellungen – seit 2014 am fixen Standort in der Andreas-Hofer-Straße. Wie der Name „Designforum“ schon sagt, ist der WEI SRAUM ein wichtiges Fixum in der Designszene Tirols. Wer an Design interessiert ist, wird dort stets Inspiration und anregenden Austausch finden. So habe ich selbst es jedenfalls erlebt.

Die Typowalks haben bisher ein bunt gemischtes Publikum angezogen: von jung bis alt, Fachleute ebenso wie Branchenfremde. Und das Schöne daran: Es wird die geführten Rundgänge auch weiterhin geben, etwa zweimal im Jahr. Ich bin davon überzeugt, dass Markus die Themen und Ideen dafür nicht ausgehen werden. Und er sagt selbst: „Ich könnte ein Buch darüber schreiben.“ Bleibt zu hoffen, dass er das wahrmacht, denn er hätte viel zu erzählen.

Ich bedanke mich herzlich bei Markus Weithas für seine Zeit, die vielen Informationen und die freundlich bereitgestellten Bilder.

Titelbild: das Stockereck in Innsbruck, © Markus Weithas

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