AXAMS Almabtrieb Rinder

Denkt man an Tirol, tauchen sofort Bilder auf, die fast schon klischeehaft sind: majestätische Berge, saftige Wiesen, auf denen Kühe friedlich grasen, und urige Almhütten, die sich malerisch in die Landschaft schmiegen. Hier sind Natur und Tradition untrennbar miteinander verwoben. Doch auch wenn die Zeit vieles verändert hat – Almen, die früher nur mühsam zu Fuß erreichbar waren, sind heute bequem mit dem Auto oder der Seilbahn zugänglich, moderne Geräte erleichtern die Arbeit –, gibt es Dinge, die sich nicht ändern. Und das ist gut so!

Tradition und Artenvielfalt auf der Alm

Almen spielen seit jeher eine wichtige Rolle in der Tiroler Landwirtschaft. Untersuchungen der Universität Innsbruck haben ergeben, dass bereits in der Jungsteinzeit Alpenbewohner die hochgelegenen Wiesen als Weideflächen nutzten. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich darum viele Traditionen und Bräuche entwickelt. Einer der bekanntesten ist wohl der Almabtrieb, der die Herbstzeit einläutet. Für diesen Beitrag habe ich mit Bauern gesprochen, die mir mehr über die Almabtriebe oder die Zucht alter Nutztierrassen erzählt haben. Auf der Arztaler Alm habe ich einige dieser alten und vom Aussterben bedrohten Tiere besucht, und ich freue mich sehr, euch davon zu berichten.

Ein Tiroler Kulturgut

Wenn wir an Schweine denken, haben wir wahrscheinlich alle dasselbe Bild vor Augen: ein dickes, rosafarbenes Tier, oder? Natürlich, das ist nicht falsch. Aber es gibt noch viel mehr – eine erstaunliche Artenvielfalt. Das gilt natürlich auch für Schafe, Kühe, Ziegen oder Hühner. In der heutigen Landwirtschaft liegt der Fokus jedoch vor allem auf Leistung, ganz nach dem Motto: je mehr, desto besser. Mehr Eier, mehr Milch, mehr Fleisch. Nur „mehr“ Artenvielfalt scheint nicht so wichtig zu sein. Durch diese gezielte Zucht bleibt jedoch einiges auf der Strecke, unter anderem das Tierwohl. Das ist mitunter einer der Gründe, warum sich die Familie Mair vom Gasthof Neuwirt in Ellbögen dazu entschieden hat, alte Nutztierrassen zu züchten. „Uns geht es nicht nur um Profit, wir sehen diese alten Rassen als Kulturgut und halten damit die Tradition aufrecht“, erzählt Alois Mair. „Seit ich denken kann, hat sich meine Familie auf diese Rassen spezialisiert. Seit rund 25 Jahren sind wir ein Arche-Hof.“

Was ist ein Arche-Hof?

Viele Menschen wissen, dass täglich Arten von Wildpflanzen und von Wildtieren aussterben. Aber wusstet ihr, dass dieses Schicksal auch vielen unserer Nutztier- und Haustierrassen droht? Ich, ehrlich gesagt, nicht. Arche-Höfe setzen sich aktiv für den Erhalt dieser alten Rassen ein und informieren gleichzeitig die Öffentlichkeit über deren Bedeutung. Sie bieten eine Plattform, um das Bewusstsein für Biodiversität zu stärken, und zeigen, wie diese Tiere nachhaltig in die Landwirtschaft integriert werden können. Arche-Höfe tragen so aktiv dazu bei, ein Stück lebendiger Kulturgeschichte zu erhalten.

Schweine mit Sonnenbrand

Pustertaler Sprinzen, Tuxer Rinder, Blobe-Ziegen oder Turopolje-Schweine: Rassen, von denen viele wahrscheinlich noch nie gehört haben. Schade, denn es handelt sich um alte, vom Aussterben bedrohte Tiere, die es unbedingt zu schützen gilt. Warum? Wie bereits erwähnt, sind die Gründe vielfältig. Unter anderem sind diese Rassen besonders robust und kommen gut mit alpinen Bedingungen zurecht. Ein Beispiel: Wusstet ihr, dass die bekannten rosa Schweinchen schnell einen Sonnenbrand bekommen? Besonders in der heißen Jahreszeit sind die Tiere gerne im Freien. „Unsere Schweine sind den ganzen Sommer über auf der Alm. Durch ihre dunkle Farbe sind sie vor der Sonne geschützter als ihre rosaroten Verwandten“, erzählt mir Alois Mair. Das wirkt sich natürlich auf das Wohlbefinden der Tiere und letztendlich auf die Fleischqualität aus. Tiere, die viel in der Natur und auf der Weide sind, führen ein glücklicheres Leben – das gilt selbstverständlich auch für Kühe und Schafe.

Aufi auf die Arztaler Alm

Wer sich selbst ein Bild von den Tieren machen möchte, sollte dem Gasthof Neuwirt einen Besuch abstatten. Hier kann man wunderbar Urlaub machen und/oder herrliche, originale Tiroler Spezialitäten genießen. „Die meisten unserer Produkte stammen vom eigenen Hof“, erzählt Alois Mair. Wer möchte, kann die Tiere auch auf der Arztaler Alm besuchen. Besonders, wenn ihr auf der Suche nach einer Alm abseits der bekannten Touristenpfade seid, ist die Wanderung zur Arztaler Alm perfekt. Vom Parkplatz Hinterlarcher (gebührenpflichtig) wandert man etwa eineinhalb Stunden zur Alm, entweder über die Forststraße oder den Steig. Oben angekommen, warten die wohlverdiente Stärkung und natürlich die Tiere.

Ein Kamel auf Sommerfrische

Was die Tiere angeht: Ich habe mich sofort in die süßen Schweinchen verliebt! Aber auch die Rinder und Schafe sind unglaublich lieb anzusehen, und man merkt, dass sie ein schönes Leben führen dürfen. Das Tier, das ich allerdings als Erstes gesehen habe, hat rein gar nichts mit alten, vom Aussterben bedrohten Nutztierrassen zu tun: ein Kamel! Ja, richtig gelesen – auf der Arztaler Alm verbringt auch ein Kamel seine Sommerfrische. „Das gehört einem Freund“, erzählt mir Alois. „Er hat mich gefragt, ob das Kamel im Sommer auf die Alm darf, und da es sich um einen lieben, friedlichen Kerl handelt, habe ich natürlich ja gesagt.“

Sommer auf der Alm

Die Zeit auf der Alm ist sowohl für die Tiere als auch für die Bauern von großer Bedeutung. Während Schafe, Rinder und Pferde die saftigen Almwiesen mit ihren wertvollen Kräutern genießen, können die Bauern im Tal das Futter für den Winter einbringen. „Wenn die Tiere das ganze Jahr über im Tal bleiben würden, wäre das Winterfutter knapp“, erklärt Alexander Danler, der im Sommer als Hirte im Fotschertal arbeitet und die Schafe hütet. Den Rest des Jahres arbeitet er als Gemeindearbeiter. Urlaub und Zeitausgleich nutzt er, um im Sommer bei den Tieren auf der Alm zu sein. Leute wie ihn zu haben, ist ein großes Glück. Wenn es nicht Menschen wie ihn gäbe, die sich um die Almen kümmern, hätten wir ein großes Problem – das sollte uns allen bewusst sein.

Der Sommer geht zu Ende

Leider geht auch der schönste Sommer einmal zu Ende. In der Region Innsbruck bildet der Almabtrieb alljährlich den Abschluss des Almsommers und ist ein besonderes Erlebnis für Einheimische und Gäste. Den Auftakt macht traditionell der Schafabtrieb in Axams, der immer am 6. September stattfindet, in der Woche darauf, am 14. September, folgt heuer der feierliche Almabtrieb der Rinder.

Transhumanz der Schafe

Am 6. September werden im Rahmen der sogenannten Transhumanz der Schafe rund 1.100 bis 1.200 Schafe von der Seealm im Fotschertal – im Volksmund auch „Hintra-Alm“ genannt – zurück ins Dorf getrieben. Gegen Mittag werden die Tiere in Axams erwartet, wo ihre Ankunft mit einem kleinen Fest gefeiert wird – ohne großen Trubel, aber mit viel Herz für Tradition und Brauchtum. „Beim Abtrieb sind rund 25 Vereinsmitglieder dabei, alle Generationen sind willkommen, bei uns können auch schon die Kleinsten mitmachen“, wie mir Thomas Brecher, Obmann des Schafzuchtvereins Axams, erzählt.

Achtung, die Rinder kommen

Eine Woche später, am 14. September, folgt der Almabtrieb der Rinder. Rund 500 Tiere kehren von der Almindalm und der Seealm im Fotschertal sowie von der Schafalm in der Axamer Lizum zurück. Um eine so große Herde zu „zähmen“, braucht es etwa 15 „gschdandene Mander“. Gegen Mittag treffen die Rinder, Senner und Hirten in Axams ein. Ein besonderes Highlight sind die festlich geschmückten Tiere: Mit viel Liebe binden die Senner sogenannte Büschl aus Almblumen und Zirbenzweigen – alles rein natürliche Materialien, wie Thomas Brecher betont: „Es wird nur verwendet, was auf der Alm wächst – nichts Künstliches.“

In der Nachbarsgemeinde Mutters wird ebenfalls am 14. September der Almabtrieb gefeiert. Bei den Almabtrieben stehen die Tradition und die Liebe zum Brauchtum im Vordergrund – ein echtes Stück Tiroler Kultur!

Informationen

Arztaler Alm
Oberellbögen 2, 6083 Ellbögen

Wanderung zur Arztaler Alm
Vom gebührenpflichtigen Parkplatz Hinterlarcher in Oberellbögen den Forstweg folgend durch das naturbelassene Arztal zur Arztaler Alm

Gasthof Neuwirt
Niederstraße 119, 6083 Ellbögen
Homepage

Großer Axamer Schafabtrieb
Wann: 6.9.2024, Beginn um 12:15 Uhr
Wo: Kreisverkehr, Dorfzentrum, Hauptstraße, Georg-Bucher-Straße und Innsbruckerstraße, 6094 Axams

Axamer Almabtrieb der Rinder
Wann: 14.9.2024, Beginn um 12:30 Uhr
Wo: Kreisverkehr, Dorfzentrum, Hauptstraße, Georg-Bucher-Straße und Innsbruckerstraße, 6094 Axams

Mutterer Almabtrieb der Rinder
Wann: 14.9.2024 Beginn um 12:30 Uhr
Wo: Musikpavillon, Kirchplatz, 6162 Mutters

Titelbild: © Werner Kräutler

Ähnliche Artikel