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Klettersteige erschließen alpine Räume abseits aller Wanderpfade. Das anstehende Klettersteig-Testival an der Nordkette bietet Gelegenheit, sich mit Ausrüstung und Techniken ausgiebig vertraut zu machen.

Via Ferrata, der Eiserne Weg. Für mich klang die italienische Bezeichnung für Klettersteige, als wäre sie frisch einem Abenteuerroman entsprungen. Spätestens, als ich mich selbst die erste Route entlanghangelte, wurde mir klar, dass das nicht von ungefähr kommt. Der Fels wird mit eisernen Tritten, Klammern und Stiften gespickt, bis ein Vorankommen auch für jene möglich ist, die nicht über die Kletterkünste eines Geckos verfügen. Einer stählernen Rettungsleine gleich verläuft ein starkes Kabel die Route entlang, in das man sich über die Karabiner des Klettersteigsets einhängt – Sicherheit geht vor. Um sie dreht es sich auch beim Klettersteig-Testival an der Nordkette, das am 7. und 8. September stattfindet.

No risk, more fun

Klaus Kranebitter, der das Testival konzeptioniert hat, kann in Sachen Unfallprävention im Bergsport auf viel Erfahrung zurückgreifen. Mit den Veranstaltungen von snowhow klärten einige Innsbrucker Bergführer schon über Lawinen auf, nach vermehrten Anfragen Richtung Kletterei lehrt nun climbhow Sicherheit am Klettersteig. „Oft ist den Leuten der Funktionsumfang ihrer Ausrüstung gar nicht bekannt, weil Zeit und Humor fehlen, um sich intensiv damit auseinanderzusetzen. Wir liefern die Abkürzungen zur Steigerung von Effizienz und Sicherheit“, erklärt Kranebitter. Man kennt das Problem aus diversen Bereichen: Die Hardware ist zwar da, aber viele nützliche Funktionen lernt man gar nicht erst kennen.

Ausrüstung im Überblick

Die Packliste für eine Klettersteigtour ist übersichtlich, aber es gibt einiges zu beachten. Der obligatorische Helm etwa muss für Steinschlag zertifiziert sein, Radhelme und Konsorten sind fehl am Platz. Handschuhe bieten Schutz, falls das Stahlseil beschädigt sein sollte und geben Extra-Halt bei warmen Temperaturen. Der Rucksack sollte möglichst klein sein, hinein gehören neben Handy und Erste-Hilfe-Set auch Wasser, Nahrung und Schutz gegen Wind, Kälte und Nässe. In Sachen Schuhwerk sind sogenannte Zustiegschuhe empfehlenswert, die zwar nur halbhoch sind, aber dennoch über eine feste Bergschuhsohle verfügen. In den unabdinglichen Klettergurt eingebunden wird zu guter Letzt das Klettersteigset mit seinen zwei Karabinern, den Lastarmen und dem Bandfalldämpfer. Wichtig: Wegen seiner Textilkomponenten darf das Set nicht älter als zehn Jahre sein, zudem sollte man etwaige Rückrufe recherchieren.

Wenn der Klettersteig zu anstrengend ist, kann auch die beste Ausrüstung nicht mehr helfen. Also: Länge des Steiges und Verteilung der Schwierigkeitsgrade vorab klären, um böse Überraschungen zu vermeiden. Ein Blick auf den Wetterbericht ist ebenfalls Pflicht – während eines Gewitters möchte man schließlich nicht an einem überdimensionierten Blitzableiter hängen.

Lernen aus der Praxis

In den kostenlosen Workshops des Testivals können die Teilnehmenden nicht nur ihre Ausrüstung besser kennenlernen (oder in der Rab-Reparatur-Ecke ausbessern lassen), sondern auch mehr über Technik am Klettersteig erfahren. Ich kann bestätigen: Am langen Arm zu klettern und möglichst viel Beinkraft einzusetzen, erhöht den Spaßfaktor dank größerer Ausdauer deutlich.

Wer sein Wissen gleich in der Praxis anwenden möchte, kann nach den Workshops zusätzlich an einer kostenpflichtigen, geführten Klettersteigtour über den Innsbrucker Klettersteig teilnehmen oder sich bei einem Get-together mit anderen Interessierten austauschen. Für Kranebitter hat das Lernen vor Ort einen großen Vorteil: „Hin und wieder sind wichtige Hinweise in den Gebrauchsanleitungen ungünstig formuliert. Und manche lernen besser in der Anwendung als in der Theorie.“

Hoch hinaus mit den Kleinen

Wie wichtig Weiterbildung auch für erfahrene Klettersteigfans sein kann, zeigt sich besonders, wenn Kinder mit von der Partie sind. Das Problem: Die Ausrüstung ist nur begrenzt auf sie ausgelegt. Herkömmliche Klettersteigsets bieten dank des integrierten Bandfalldämpfers zwar Schutz im Falle eines Sturzes, doch der löst erst ab einem Gewicht von 40 Kilo aus. Soll heißen: Ein Kind mit unter 40 Kilo kann nicht von ihm profitieren, der Ruck des Sturzes würde vom Körper selbst abgefangen. Beim Testival wird daher gezeigt, wie auch Leichtgewichte korrekt gesichert werden können.

Wandel in der Szene

Dass das Klettersteig-Testival so viel Wert auf die Bedürfnisse von Familien legt, ist einem Strukturwandel geschuldet, der sich gerade vollzieht. Xhow, sozusagen die Übermarke von climbhow, snowhow und bikehow, organisiert nicht nur Kommunikation und Veranstaltungen rund um Sicherheit im Berg- und Wintersport, sondern konzipiert im Falle von climbhow auch selbst Klettersteige. Aus dieser Lage heraus weiß Kranebitter zu berichten, dass Klettersteige insgesamt niederschwelliger und familientauglicher werden, die Erreichbarkeit der Zustiege wird leichter. Diese neue Publikumstauglichkeit sieht er auch abseits der Möglichkeiten für die Jugendsportförderung positiv: „So bekommen mehr Leute Zugang zum alpinen Lebensraum.“ Es gelten starke Umweltauflagen, die im Vergleich zu früher auch aktiv kommuniziert würden. So könne es etwa sein, dass ein Steig nur zu bestimmten Zeiten geöffnet sei, um Vögel nicht bei der Brut zu stören. Sollte sich ein zu schützendes Tier im Nachhinein am Steig ansiedeln, könne dieser jederzeit praktisch ohne Rückstände entfernt werden – man passe sich der lokalen Natur an.

Hinter den Kulissen

Als das Testival 2018 startete, war einer der beiden Tage als Symposium gedacht. Dort konnten sich Klettersteigbetreiber, Bergrettung und Co. über Probleme und Anliegen austauschen, bis die Pandemie den Indoor-Teil der Veranstaltung nicht mehr möglich machte. Hinzu kam, dass die Hersteller eine Sättigung des Marktes beobachteten und sich Teilnehmende – bis heute – kurzfristiger als früher anmeldeten. Kranebitter lernte über die Jahre einiges hinzu, was die ideale Organisation der mittlerweile wieder zweitägigen Veranstaltung angeht – etwa, je nach teilnehmenden Herstellern die Schuhgrößen der Interessierten abzufragen, ihnen die Funktionsweise des Gondeltickets genau zu erklären oder auch, dem Standort geschuldet, Zeitfenster und Uhrzeiten auf die Ankunft der Gondeln abzustimmen.

Das Klettersteig-Testival findet am 7. und 8. September auf der Innsbrucker Nordkette statt. Die Teilnahme an den Workshops ist kostenlos, für die geführte Tour ist eine Gebühr zu entrichten. Infos zu Anmeldung und Programm gibt es hier.

Bilder, sofern nicht anders angegeben: © CLIMBHOW

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